Von Wölfen und Hunden

Foto: Bundesforst
Anja Siegesmund und Burkhard Vogel im Interview

Seit 2014 lebt eine Wölfin in der Nähe von Ohrdruf bei Gotha. Die Wölfin hat nun zusammen mit einem Haushund sechs Nachkommen, sog. Hybriden, gezeugt. Viele Menschen in Thüringen bewegt das Schicksal der Tiere. Naturschützer befürworten den Abschuss der Wolfshybriden. Wir haben mit unserer Umweltministerin Anja Siegesmund und Burkhard Vogel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gesprochen, wie die Lage ist und was unternommen werden soll.

Bei den Nachkommen handelt es sich um sogenannte Wolfshybriden. Sie sollen aus der Natur „entnommen“ werden. Warum sollen sie entnommen werden und was bedeutet das genau?

Burkhard Vogel: Hund und Wolf gehören zur selben Art Canis lupus. Dennoch unterscheidet sich das Erbgut von Hunden und Wölfen. Bereits vor mehreren zehntausend Jahren begann der Mensch, Wölfe zu domestizieren und zu züchten. Daher ist die genetische Ähnlichkeit der äußerlich sehr verschiedenen Haushunderassen heute untereinander viel höher als die Ähnlichkeit zu Wölfen. Die Wolfshybriden von Ohrdruf sind aus einer Paarung der Wölfin mit einem Hund hervorgegangen. Bereits äußerlich sind diese Hybriden aufgrund ihrer dunklen Fellfärbung von reinrassigen Wölfen zu unterscheiden. Eine weitere Vermischung des Wolfsgenoms mit dem Erbgut von Hunden kann nur verhindert werden, wenn sich die Hybriden nicht in freier Wildbahn fortpflanzen. Im Freiland geborene Wolfshybride können weder tierschutzgerecht noch artgerecht in Gefangenschaft gehalten werden. Daher bleibt nur die Möglichkeit, die Jungtiere durch Abschuss zu töten.

Anja Siegesmund: Das Wort „Entnahme“ klingt erst einmal sehr technisch. Es steht dafür, dass die aus der Paarung der Wölfin mit einem Haustier hervor gegangenen Hybride aus Artenschutzgründen nicht bleiben dürfen. Dass es sich um solche handelt, steht eindeutig fest. Dass sie nicht bleiben dürfen, legen Gesetze und auch unser Wolfsmanagementplan zweifelsfrei fest. Außerdem ist unklar, wie sich Hybriden in Bezug auf Menschen verhalten. Sie sind eben weder Wolf noch Haushund. Deswegen prüfen wir verschiedene Optionen.

Was werdet ihr unternehmen? Welche Möglichkeiten werden geprüft?

Anja Siegesmund: Die Experten-Meinungen gehen auseinander, was die Haltung von Wolfshybriden angeht. Klar ist für uns: Wir prüfen intensiv, ob es nicht doch auch eine gute tragfähige Alternative zu einem Abschuss gibt. Wir bereiten beide Varianten vor und planen sehr sorgfältig. Genau deshalb, weil unsere Entscheidung sowohl den Arten- als auch den Tierschutz zu berücksichtigen hat. Unsere Entscheidung muss auf jeden Fall rechtskonform sein.

Und die Wölfin, soll auch sie entnommen werden?

Anja Siegesmund: Nein. Auf gar keinen Fall. Hier geht es nur um die Hybriden. Der Wölfin wäre sehr zu wünschen, dass sie bald doch noch einen Wolf für sich findet.

Viele Menschen freuen sich, dass sich wieder Wölfe bei uns ansiedeln. Inzwischen hat die Wölfin aber auch in Thüringen wiederholt Schafe und Ziegen gerissen. Was kann zu deren Schutz unternommen werden?

Burkhard Vogel: Der Wolf gehört zu unserer heimischen Fauna. Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland und die Gründung des ersten Rudels im Jahr 2000 ist, nachdem der Wolf über 150 Jahre in Deutschland ausgerottet war, auch ein Erfolg des Naturschutzes. In unserer Gesellschaft ist das Bewusstsein für die Verantwortung, welche der Mensch für die Erhaltung der Biologischen Vielfalt und für unsere heimischen Tier- und Pflanzenarten trägt, deutlich gestiegen. Als Teil unserer heimischen Artenvielfalt wird daher auch der Wolf von immer mehr Menschen willkommen geheißen. Allerdings zeigen die Wolfsrisse in Ohrdruf, dass das Miteinander von Wolf und Mensch nicht immer konfliktfrei verläuft. Die Rückkehr des Wolfes stellt die Weidetierhaltung vor neue Herausforderungen. Damit dürfen diejenigen, welche Weidetierhaltung betreiben, insbesondere die Schäfer im ländlichen Raum, nicht alleine gelassen werden. Wirtschaftliche Nachteile, welche durch Wölfe entstehen, müssen daher, wie im Wolfsmanagementplan für Thüringen vorgesehen, ausgeglichen werden. Dazu müssen Kosten für den Herdenschutz ebenso wie die Schäden durch Wolfsangriffe einschließlich der Folgeschäden finanziell ersetzt werden. Gleichzeitig müssen die Weidetierhalter ihrer Verantwortung für einen wirkungsvollen Herdenschutz gerecht werden. Erfahrungen zeigen, dass Schutzzäune gegen den Wolf in Verbindung mit dem Einsatz von Herdenschutzhunden Wolfsangriffe auf Herden wirkungsvoll verhindern.

Was davon kann in Thüringen umgesetzt werden und wie unterstützt ihr die Schafs- und Ziegenhalter dabei?

Anja Siegesmund: Die Schäfer sind für uns unverzichtbare Partner. Ohne Schäfer keine Landschaftspflege, also weniger Offenlandschaften wie zum Beispiel die sanften Hügel der Rhön. In der Regel reißt die Wölfin im Wald verletztes oder älteres Wild. Aber weil sie eben doch auch schon Nutzvieh gerissen hat, arbeiten wir eng mit den Schäfern und ihrem Verband zusammenzuarbeiten. Streng genommen ist der Wolfsmanagementplan nichts anderes als ein Schäferschutzprogramm, da es die Förderkulisse für die Anschaffungen der Zäune etc. festlegt. Das war in Thüringens jüngster Vergangenheit nicht immer so. Die Anwesenheit der Wölfin ist natürlich eine Herausforderung. Aber wir können sie annehmen, wenn wir besonnen und ausgleichend handeln. Die Schäfer wissen, dass sie auf uns zählen können, wenn es um Schutzzäune geht und auch um Entschädiungen bei Rissen.

Sind Wölfe für den Mensch gefährlich?

Burkhard: Der Wolf ist ein Wildtier und damit wie auch bei anderen Wildtieren, wie z.B. Wildschweinen, potenziell eine Gefahr für den Menschen. In der Regel meiden Wölfe die Nähe des Menschen. Der Mensch gehört auch nicht zum Beutespektrum der Wölfe. Daher ist der Wolf unter „normalen Umständen“ auch keine Gefahr für Menschen. Probleme können dann entstehen, wenn Wölfe durch frei herumliegende Abfälle angelockt oder gar absichtlich angefüttert werden. Insgesamt ist die von Wölfen ausgehende Gefahr auch bei einer Zunahme der Population in Deutschland im Vergleich zu anderen Alltagsrisiken wie z.B. Verletzungen durch Hundeattacken oder im Straßenverkehr vernachlässigbar.

Was müssen Menschen beachten, wenn sie draußen in der Natur unterwegs sind?

Anja Siegesmund: Draußen in der Natur lohnt es sich sowieso immer aufmerksam zu sein, Stichwort Wildschweine. Einen Wolf bekommt kaum jemand je zu sehen, das sind unheimlich scheue Tiere. Falls ja, würde ich mich so verhalten wie bei einem streunenden Hund. Nicht weglaufen, sondern gut beobachten. Und verscheuchen, wenn er mir zu nahe kommt.


Foto: Die Aufnahme vom 1. Oktober 2017 gelang mittels Fotofalle auf dem Standortübungsplatz Ohrdruf